Vorträge

Wo kommt das ganze Papier her? -- Herstellung und Verwendung von Papier in der Frühmoderne Japans

18:30 Uhr

Vortrag mit Dr. Chantal Weber

Haus der Evangelischen Kirche, Adenauerallee 37, Bonn

Eintritt frei

Das japanische Papier, washi 和紙, und die damit verbundene Handwerkskunst wurden 2014 in die Liste des immateriellen Kulturerbes der UNESCO eingeschrieben. In der Begründung heißt es, dass in den drei Orten Hamada (Präf. Shimane), Mino (Präf. Gifu) und Ogawa/Higashi-chichibu (Präf. Saitama) die traditionelle Handwerkskunst des von Hand geschöpften Papiers bis heute besonders gepflegt wird. Mit der Einführung von Druckmaschinen Ende des 19. Jahrhunderts hat die Herstellung von japanischem Papier rapide abgenommen, so dass die ehemals weite Verbreitung des Handwerks nur noch in wenigen Regionen überlebte.

Die Technik des Papierschöpfens existiert jedoch bereits seit dem 8. Jahrhundert in Japan; das Handwerk genoss im Altertum eine besondere Bedeutung, so dass sowohl religiöse Einrichtungen, Tempel und Schreine, als auch der Kaiserhof besondere Kontrolle über dieses wichtige Produkt ausübte. Je nach Verwendungszweck, z. B. für religiöse Schriften, Bilddrucke oder Schiebetüren, haben sich im Laufe der Zeit verschiedene Sorten herausgebildet, die sich durch unterschiedliche Bestandteile bei der Herstellung auszeichnen. Besonders in der Edo-Zeit (1603-1868) war der Bedarf an Papier sehr hoch. Nicht nur der expandierende Buchmarkt und die beliebten Farbdrucke benötigten Papier, auch allerlei Produkte wie Schiebetüren, Lampen, Uhren, Spiele, Karten, Schreibpapier, Toilettenpapier und vieles mehr fand Einzug in das Alltagsleben der gesamten Bevölkerung.

Die Produktion von Papier lief daher sowohl auf dem Land als auch in den Städten auf Hochtouren, wobei neben hochwertigem Papier auch einfaches Papier für den Alltag produziert wurde; auch Recycling von Altpapier war selbstverständlich. Papier war also allgegenwärtig im frühmodernen Japan, so dass sich eine regelrechte Industrie herausbildete. Zeitgenössische Bücher wie das Kamisuki chôhôki 紙漉重宝記 (Praktischer Leitfaden der Papiermacherei) aus dem Jahr 1798 geben Auskunft über den Herstellungsprozess, zeigen aber auch die Vernetzung von Land und Stadt im Herstellungsprozess. Das Buch diente jedoch nicht als Anleitung für Papiermacher, sondern richtet sich an eine Öffentlichkeit, welche mehrheitlich lesen konnte und sich für die Produkte des Alltags und ihre Herstellung interessierte. Neben dem eigentlichen Herstellungsprozess und der Verwendung von Papier steht die gesellschaftliche Bedeutung von Papier in der Frühmoderne im Vordergrund dieses Vortrags.

Herstellung von hanshi 半紙 (Schreibpapier). Aus: Kamisuki chôhôki 紙漉重宝記, 1798 (Nachdruck von 1925), S. 32.

 

Dr. Chantal Weber

Japanologin, Universität zu Köln, 1997-2003 Studium der Japanologie, Klassischen Archäologie und Kunstgeschichte an der Universität zu Köln. 2003-2005 Mitarbeiterin im Rechenzentrum der Universität Freiburg (Bereich Neue Medien). 2005-2006 Forschungsstipendium (Japan Foundation) an der Daitô Bunka Daigaku, Tôkyô. 2006-2008 Asienbeauftragte und Beauftragte für Konzepte der Betreuung internationaler Studierender, International Office der Universität Freiburg. Seit 2008 wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Japanologie der Universität zu Köln. 2011 Promotion an der Philosophischen Fakultät, Universität zu Köln. Thema: Kulturhistorische Netzwerkanalyse am Beispiel des Tee-Meisters Kanamori Sôwa. 2012-14 Japan-Stipendium (JSPS) an der Kansai University, Ôsaka. 2015-2018 Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft der JSPS-Stipendiaten e.V., Schriftführung. April bis September 2023: Vertretung des Lehrstuhls Japanologie an der Universität Leipzig.

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