Vorträge

„Willy Rudolf Foerster – Aufstieg und Fall des Judenretters von Tokio“

ein Vortrag von Dr. Clemens Jochem

Haus der Geschichte, Willy-Brandt-Allee 14, 53113 Bonn

Japan gehörte nicht zu den Ländern, die eine größere Anzahl jüdischer Flüchtlinge aufnahmen. Eine Ausnahme war das Unternehmen von Willy Rudolf Foerster, die „Nichidoku Kikai Seisakujo“ (Deutsch-Japanische Werkzeugmaschinenfabrik). Der aufkommende Nationalsozialismus und insbesondere der Antisemitismus waren Foerster aus Prinzip zuwider. Zusammen mit dem Jüdischen Hilfskomitee ermöglichte er nach 1933 einer Vielzahl jüdischer Familien die Ausreise nach Japan. Dort beschäftigte er die Familienväter in seinem Unternehmen. Bis zum Schluss hielt er – trotz massiver Anfeindungen deutscher Stellen – zu seinen Angestellten. 1943 wurde er deshalb mit seiner japanischen Frau Hideko und seinen engsten Mitarbeitern, auf Veranlassung des Polizeiattachés und SS-Standartenführers Josef Albert Meisinger unter dem Vorwand der Spionage zu Gunsten der Sowjetunion, verhaftet und gefoltert. Nach über einem Jahr Haft wurde ihm seine Werkzeugmaschinenfabrik mit etwa 1200 Arbeitern und 180 Büroangestellten zu einem Bruchteil ihres Wertes abgepresst. Doch auch diesen Betrag erhielt Foerster nie.

Seiner daraufhin erfolgten Freilassung wegen erwiesener Unschuld folgten Hausarrest und eine erneute Verhaftung als „Anti-Nazi“, aufgrund einer von Josef Meisinger erstellten Liste. Selbst im Lager setzte Foerster sein soziales Engagement fort. Auf eigene Kosten beschaffte er für die Mitgefangenen Lebensmittel. In einer Bombennacht überwältigte er die japanische Lagerwache, die den Internierten das Verlassen der brennenden Unterkunft verwehrte. So rettete er neben jüdischen Häftlingen u. a. auch einem katholischen Schwesternkonvent das Leben. Als die Amerikaner das Lager 1945 befreiten, hätte eigentlich die Normalität wieder Einzug halten müssen.

Doch die für seine Verhaftung Verantwortlichen dienten sich nun dem ermittelnden amerikanischen C.I.C. (Counter Intelligence Corps) als Informanten an. In ihren Aussagen denunzierten sie Foerster wahrheitswidrig als Kriminellen, Lügner und kriegswichtigen Rüstungsfabrikanten.

Daraufhin wurde sein Restvermögen – obwohl er seit 1936 staatenlos war – zur Tilgung deutscher Reparationen eingezogen. Zusammen mit seiner Familie wurde Foerster nach Deutschland zwangsrepatriiert. Dies geschah, obwohl den alliierten Behörden – wie erst jüngst freigegebene Dokumente belegen – bereits vor der Repatriierung die Foerster entlastenden Fakten bekannt waren.

Zur lebenswichtigen Behandlung von Foersters Frau, übersiedelte die Familie von Deutschland in die Schweiz. Hideko Foerster verbrachte fast viereinhalb Jahre in Spezialkliniken, bis sie einigermaßen genesen war. Kurz nach der Ausreise der Familie Foerster in die Schweiz begann eine weitere, nunmehr dritte Kampagne von ehemaligen ostasiatischen NS-Funktionären gegen Foerster. In einer Illustrierten wurde der gerade noch als „Nazi“ zwangsrepatriierte Foerster nun wie zu Kriegszeiten erneut als kommunistischer Spion diffamiert.

Einzelne Vorgänge werden im Vortrag anhand von Originalquellen nachvollzogen. Dies gilt insbesondere für Zeugenaussagen im späteren Wiedergutmachungsverfahren Foersters, die vor dem Hintergrund erst heute verfügbarer Dokumente kritisch hinterfragt und analysiert werden. Der Vortrag wirft Schlaglichter auf die einzelnen Etappen von Foersters Leben und sein antinationalsozialistisches Engagement. Fotos ermöglichen Einblicke in seine Fabrik und damaligen Lebensumstände. Einen weiteren Schwerpunkt bilden u. a. Erkenntnisse zu einzelnen Biografien seiner jüdischen Mitarbeiter und wesentliche neue Dokumente zum Foerster Prozess. Des Weiteren wird der Fall Foerster in den Kontext der damals insbesondere von Josef Meisinger forcierten systematischen Verfolgung von „Unzuverlässigen Deutschen“ bzw. „Anti-Nazis“ gesetzt.


Clemens Jochem
geboren 1984, ist promovierter Naturwissenschaftler. Seit 14 Jahren beschäftigt er sich mit Primärquellenforschung zu Ostasien zwischen 1933 und 1945. Seine Schwerpunkte sind deutsch-jüdischer Widerstand, das Ghetto Shanghai, militärische Abwehr in Ostasien und deutsche Wiedergutmachungsjustiz. Seine Biografie des Industriellen und Judenretters Willy Rudolf Foerster in Japan ist kürzlich im Verlag Hentrich & Hentrich unter dem Titel „Der Fall Foerster. Die deutsch-japanische Maschinenfabrik in Tokio und das Jüdische Hilfskomitee“ erschienen (ISBN: 978-3-95565-225-8, 262 Seiten, 19,90 €).

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